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Dürfen Fußballer homosexuell sein?
09.01.2014 21:31
Thomas Hitzlsperger hat diese Tage mit einem Paukenschlag - wie manche meinen - in der ZEIT seine bisher wohl gehütete Homosexualität publik gemacht. Und dabei nicht ohne Hintergedanken ein Riesen-Zinober veranstaltet: Da wurde Rücksprache mit Teammanager und Trainerstab der Nationalmannschaft gehalten, zum Interview in Tintenform gesellt sich eine Videobotschaft und Alles wurde vorab richtig schön angefüttert, damit alle Agenturen und Meinungsorgane dieser Welt sich auf den kommenden Schock gut vorbereiten konnten. Der Hintergedanke war und ist die Überzeugung des Protagonisten, dass es um die Akzeptanz für Homosexualität im Fußball nicht ausreichend gut bestellt ist.
Er begibt sich also an die Öffentlichkeit, in der Absicht, die Debatte um das Tabu des schwulen Fußballspielers wieder ins Rollen zu bringen. Und das ist ihm doch vortrefflich gelungen! Die angesprochenen Meinungsorgane sprudeln derweil einen Strom an Leitartikeln, Stellungnahmen, Kommentaren, Reportagen, Streitschriften, Aufschreien und Zitate-Tafeln hervor, zwischen den der geneigte Leser, Zuhörer und -schauer nach Herzenslust selbst Stellung nehmen, kommentieren, streiten, aufschreien und zitieren kann. Man mag kaum glauben, dass diese Story der BILD entgangen ist und es gab für den Fußball-B-Promi (so ehrlich muss man sein) Hitzlsperger offenbar Mittel und Wege, sein intimstes Privatleben am Boulevard vorbei zu schleusen. Freilich nur so lange, bis er es nun selbst - indirekt - dort platziert hat.
Mich persönlich hat diese Offenbarung nun nicht so sehr geschockt. Nicht, dass ich es schon immer gewusst hätte. Nein, dass es unter 6 Millionen aktiven Fußballern des DFB - zu denen Münschener Sohn ja einmal gehörte - auch einen homosexuellen Mann geben soll, das konnte mich nicht überraschen. Und so habe ich auch besagte Vorankündigung aufgenommen. Und gleich habe ich mir gedacht, dass es kein Zufall sein konnte, dass diese Offenbarung ein halbes Jahr nach seinem Karriereende publik gemacht wurde. Denn auch ich bin offensichtlich der Meinung, dass ein Fußballprofi soetwas zum Wohle seiner Karriere schön für sich behält.
Das Lesen seiner Vorankündigung und Auszüge aus seinem Interview bestätigten schnell diese Meinung und machten einmal mehr deutlich, an welchem Problem der Fußball - und man muss eben sagen: der Männerfußball - in Deutschland leidet: Die Angst vor dem Schleierfall. Eine Homophobie-Phobie hat sich in dieser Kultursparte Deutschlands etabliert und das Resultat ist eine "Don't ask, don't tell"-Politik, die, obgleich nirgends nieder geschrieben, doch ärger in Stein gemeißelt scheint, als Herbergers Spruch zur Dauer eines Fußballspiels. Und so sagen auch viele, dass sie es - in unterschiedlichen Stufen - bedenklich finden, dass dieses Coming-Out überhaupt eine Sensations-Relevanz hat.
Und außerdem sei ja das gesamte Umfeld von Homophobie geradezu zerfressen. Sagt man. "Fußballfans gegen Homophobie" - wo hat man so etwas schon gehört?! An der Stelle rächt sich nun, dass im Fernsehen im Rahmen von Fußballspielen der Nachrichten-Wert von Aktionen der Fans eher anhand des Pyro-Gehalts bewertet werden und dieses Banner regelmäßig untergeht. Vielleicht fehlt es auch an Aktionsbereitschaft in den Verbänden. Man mag mich kurzsichtig nennen, aber ein "Say NO to Homophobia"-Banner ist mir bei keinem Vorspann eines UEFA-EURO- oder FIFA-WM-Qualifikationsspiels aufgefallen.
Ist hier also die Fanszene weiter, als es die Verbände und diejenigen sind, die den Fußball nur außerhalb des Stadions erleben? Glaubt man Hitzlesperger, für den das Mannschaftsgefüge - also der Umgang mit den Kollegen - viel wichtiger gewesen sein dürfte, als der Stadion-Innenraum, gibt wohl die Sachlage in der Kabine den Ausschlag für die Einzelperson, mit seiner Einstellung hinter dem Berg zu halten. Und trotzdem spricht er nicht von einem homophoben Umfeld.
Thomas Hitzlsperger mag zwar nun der erste Ex-Profi im Männerfußball sein, der sich offen als homosexuell bekennt. Aber die ganz große Brisanz fehlt diesem "Fall" dann doch. Dabei gewinne ich beinah den Eindruck, dass es ihm leise vorgeworfen wird, dass er bis nach seiner Karriere gewartet hat. Aber wenn sich der Gute gerade erst darüber selbst klar geworden ist, bleibt es Makulatur darüber zu philosophieren, ob er als Aktiver mit der Publikation "hätte mehr erreichen können".
Letztlich bleibt seine Entscheidung, jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen, aber in jedem Fall seine Privatsache und ich gratuliere ihm dazu, dass er offenbar bis zuletzt selbst darüber die Kontrolle behalten konnte. Das macht diese Story wohl zu einem Lehrstück über Presse-Arbeit.
Wenn Thomas Hitzlsperger seine Sache (das Anstoßen der Debatte) ernst meint, dann erwarte ich von ihm in der Zukunft weiteres Handeln und ich würde mich freuen, wenn dieses Engagement zu besagten Bannern während der Qualifikationsspiele für die FIFA-WM 2018 führen würde.